Ein wenig wehmütig schaut womöglich manch Fußballfan die Nachberichterstattung bei der Fußballeuropameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine.
Wo ist die hin, die Atmosphäre früherer Tage? Wenn etwa Katrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn auf einer Bühne am Ostseestrand in Usedom stehen, fragt sich der TV-Zuschauer: Was machen die beiden da – baden gehen?
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Fernab der EM-Stadien wird über die Spiele gesprochen. Die Erfahrung ist einem Oliver Kahn nicht abzusprechen, aber wer in die Liegestuhlreihen am Strand schaut, die teils größtenteils „unbenutzt“ sind, der versteht, warum womöglich auch einen Titan mal die Langeweile packt.
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Wenn dann auch noch die Gewinnerin des ESC 2012 auftritt, die Schwedin Loreen, und der Ton mal wieder hinter und vorne nicht passt, ist die EM-Stimmung endgültig vom „Fußball“-Tisch.
Die Lichtgestalt!
Einen Lichtblick jedoch gibt es: Gerhard Delling hat sich ganz offenbar noch immer nicht damit abgefunden, dass Günter Netzer von Bord gegangen ist. Während Netzer im Radio noch zuweilen seine Weisheiten von sich gibt, sitzt bei der ARD Mehmet Scholl als würdiger Nachfolger fest im Sattel.
Doch ganz so bissig wie Netzer kommt Scholl „noch“ nicht daher, ist aber schon jetzt schonungslos in seinen Analysen. Schade jedoch ist, dass Scholl „durchgereicht“ wird. Vor der EM durfte Scholl regelmäßig an der Seite von Matthias Opdenhövel die Spiele analysieren. Doch der ehemalige ProSieben-Mann berichtet nun stets aus dem deutschen EM-Quartier und interviewt nach den Spielen Bundestrainer Jogi Löw. In gewohnt lockerer Art und Weise – voll im „grünen Bereich“.
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Somit müssen sich „nur“ noch Reinhold Beckmann und Gerhad Delling den ehemaligen Dribbler Mehmet Scholl teilen. Beckmann ist eine Fußball-Institution, doch an der Seite von Scholl bleibt Beckmann eher blass. Die Verdienste, unter anderem der großartige Tag der Legenden am Millerntor, sind unbestritten. Doch ein richtiges Wortgefecht wie einst zwischen Delling und Netzer – das ist seine Sache nicht.
Doch so ein Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Portugal erhitzt zuweilen die Gemüter. Und so war es Mehmet Scholl, der vergangenen Samstag der Lobhudelei Beckmanns für Mario Gomez etwas ganz anderes entgegensetzte, als dieser erwartet hatte: „Ich hatte zwischendrin Angst, dass er sich wund gelegen hat, dass man ihn wenden muss.“
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Und just auf jenem „wund gelegen“, das einige Wellen geschlagen hat, ritt Delling im Rahmen der Berichterstattung der gestrigen Partie zwischen Polen gegen Russland so genüsslich rum, das dies eine helle Freude war.
Doch im Gegensatz zu Netzer wollte sich Scholl nicht richtig wehren, und versuchte mehrmalig, das Thema zu beenden. Sollte aber die ARD das Gespann Netzer und Scholl öfters auf Sendung nehmen, kommt vielleicht ein Duell auf Augenhöhe.
Dann besteht noch Hoffnung für die Vor- und Nachberichterstattung bei der Euro 2012.