New York, „the Big Apple“, das moderne Babylon – schon Frank Sinatra sang in seiner Hommage an diese Stadt: „If I can make it there, I’ll make it anywhere.“ Doch was sich vom 10. – 17. April in der US-Metropole abspielte, ist sogar für New Yorker-Verhältnisse außergewöhnlich.
Eine Band aus dem fernen Deutschland gab an acht Abenden hintereinander Konzerte im Museum of Modern Art (MoMA) und löste einen veritablen Hype in der Stadt aus. Zum besseren Verständnis muss erwähnt werden, dass es sich bei dieser Band nicht um irgendeine x-beliebige Combo handelte, sondern um eine der einflussreichsten Musik-Formationen der letzten 40 Jahre, die Mensch-Maschine, „the Godfathers of Electronic Music“ – Kraftwerk.
Kraftwerk-Retrospective 1 2 3 4 5 6 7 8
Das von Kurator Klaus Biesenbach organisierte Kunstprojekt firmierte unter dem Namen „Kraftwerk-Retrospective 1 2 3 4 5 6 7 8“. Und dieser Name war Programm: Die Düsseldorfer Elektronikpioniere führten in chronologischer Reihenfolge ihre acht wichtigsten Alben auf – jeden Abend jeweils ein komplettes Album, garniert mit einer aufwendigen 3D-Video-Show und den „Greatest Hits“ der Band.
Eine alte Liebe wird neu beschworen
Es war nicht das erste Mal, dass in New York das „Kraftwerk-Fieber“ grassierte, vielmehr wurde eine alte Liebe neu beschworen. Bereits Ende der 70er Jahre war Kraftwerk die Konsens-Band der New Yorker Clubszene, ob im mondänen „Studio 54“ oder in dem legendären Punkschuppen „CBGB“ – die Platten der vier Düsseldorfer liefen überall.
Auch die frisch aufkeimende Hip-Hop-Kultur entdeckte die elektronischen Klänge „Made in Germany“ für sich. Die ersten Breakdancer zelebrierten ihre Tanz-Performances zu den Electro-Beats von Kraftwerk, Afrika Bambaataa produzierte zusammen mit Arthur Baker „Planet Rock“ – der erste Hip-Hop-Hit der Musikgeschichte, dessen Melodie und Beat den Kraftwerk-Stücken „Trans Europa Express“ und „Nummern“ entlehnt sind.
Hat jemand Kraftwerk-Tickets?
Schon kurz nach Bekanntgabe der Konzerttermine waren alle Tickets restlos ausverkauft. Das lag einerseits an dem sehr begrenzten Fassungsvermögen des „The Donald B. and Catherine C. Marron Atrium“ im MoMA (ca. 450 Personen) und anderseits an Schwarzmarkthändlern, die systematisch Ticketbestände aufkauften.
Auf einschlägigen Online-Börsen wurden daraufhin einige Konzertkarten zu horrenden Preisen angeboten – das Blog des Village Voice berichtete von einem Kraftwerk-Ticket, das für die Rekordsumme von 45000 US-Dollar angeboten wurde.
Dass Kraftwerk als extrem exzentrisch gilt und eine dementsprechend eigenwillige „Öffentlichkeitsarbeit“ betreibt, mag zu dem Hype beigetragen haben – denn niemand weiß, wann und wo die Band jemals wieder ein Konzert geben wird.
Sie haben es tatsächlich getan!
Die Fans, die den Konzerten tatsächlich beiwohnen durften, wurden nicht enttäuscht. Die Band spielte sämtliche Klassiker und Raritäten aus ihrem Repertoire, wobei manche Songs in einem neuen Arrangement daherkamen, wohingegen andere Stücke in originalgetreuen Versionen dargeboten wurden.
Glücklichweise konnte auch der Rest der interessierten Welt zumindest teilweise an dem Geschehen teilhaben und sich einige verwackelte Konzertvideos auf YouTube angucken (so wie der Autor dieser Zeilen) und die jeweiligen Setlisten auf Twitter nachlesen – immerhin.
Auch der Großteil der Musikjournalisten schien glücklich gewesen zu sein, dass sie bei dem Ereignis vor Ort sein durfen (siehe Village Voice, WIRED Magazine). Die Mannen um Kraftwerk-Mastermind Ralf Hütter hatten es sich dereinst auf die Fahnen geschrieben, den Klang des Nachkriegsdeutschlands musikalisch einfangen zu wollen. Das ist ihnen gelungen – mehr noch: Ihre Musik ist ein Bestandteil des Soundtracks des „Globalen Village“ geworden. Denn wie sang schon Frank Sinatra: „Wer es in New York schafft, der schafft es überall.“