Hamburg. Schon das Foyer des Stage Operettenhauses am Spielbudenplatz auf der Reeperbahn zieren Zeichnungen von Udo Lindenberg und Protokolle der Stasi. Somit ist dem Besucher des Musicals „Hinterm Horizont“ gleich klar, wohin die Reise gehen wird: Zum einen darf abgetaucht werden in die Musik der Hamburger Musikers, Malers uns Zappelkönigs. Und zum anderen wird die deutsch-deutsche Geschichte wieder greifbar. Das Musical gastierte bereits fünf Jahre lang in Berlin. Und endlich ist Udo zu Hause.
Um das Lebenswerk von Udo Lindenberg, sprich all die Klassiker seines Repertoires, wird eine Liebesgeschichte erzählt, die autobiografische Züge hat. Bei seinem Auftritt in Ost-Berlin verliebt sich der junge Udo, gespielt von Alex Melcher, in die junge Jessy (Josephin Busch und Nadja Petri, später). Erst Jahre später kommt es zu einem Wiedersehen bei einem Konzert in Moskau. Viele Lieder werden just an jene Liebesgeschichte geknüpft. Das ist künstlerische Freiheit, und fügt sich gut.
Abheben auf Udos Hut
Das Bühnenbild zeigt mal die karge Einrichtung einer Ost-Berliner Wohnung, einen riesigen schwarzen Hut – oder die Berliner Mauer, die Ost- und West trennte. Die Musik Lindenbergs aber erreichte auch den Osten. Und Jessys Bruder Steve ist ebenfalls vom Panik-Virus infiziert und flüchtet in den Westen. All das ruft die Stasi auf den Plan. Und ob Udo seine Jessy wiedersieht? Schön ist selbstredend, dass das Hotel Atlantic und die Reeperbahn in die Erzählung eingebunden werden.
Die Inszenierung ist eines Rockers mit Lederjacke würdig: Selbst im Oberrang klingt die E-Gitarre schnottrig, und der Beat übertönt zuweilen den Gesang: So ist das nun mal bei Musik mit Stromgitarren. Das Bühnenbild ist dabei immer in Bewegung – und man wippt fröhlich mit, wenn „Hinterm Horizont“, „Andrea Doria“ oder, klar, „Reeperbahn“ ertönen.

Der Regisseur Ulrich Waller holt ganz gewiss Lindenberg-Fans ab. Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann in meinen Augen die zu vielen Einspielfilme, die etwa auf die Berliner Mauer „geworfen“ werden und einen Teil der Geschichte erzählen. Und: Die Stasi wird im ersten Akt als „bekloppter“ Haufen dargestellt – und es werden viele großartige Lacher produziert. Im zweiten Akt jedoch schlägt die Überzeichnung zuweilen um in Brutalität. Das ist ein heftiger Stilbruch, der womöglich bewusst eingesetzt wird, um die Stasi und das Regime nicht zu verharmlosen, irritiert aber eben auch.
Die Stimmung im Hamburger Stage Operettenhaus war dennoch über weite Strecken gut – richtig durch die Decke ging sie aber erst, als Udo auf die Bühne kam und sein Ding machte: Das Original. Zudem zeigte sich aber, wie großartige der andere Udo den Groove raus hat.
Hamburg kann sich freuen: Die geile Meile und der Udo, das gehört nun mal zusammen. Insofern dürfte dieses Gastspiel mit viel Musik, Tanz und schöner Inszenierung der Liebesgeschichte gewiss viel Panik in der Hansestadt verbreiten.
Infos: Hinterm Horizont
Stage Operettenhaus, Spielbudenplatz 1, 20359 Hamburg
Tägliche Vorführungen bis Sommer 2017, Preise auf der offiziellen Website von Stage Entertainment