Im wahrsten Sinne des Wortes ist es etwas betrüblich, wenn der Reisende eine Stadt bei Nieselregel erkundet. Doch wer eine Metropole nur auf das Wetter reduziert, der wird ihr gewiss nicht gerecht.
Von Helsinki aus kommend ist es ein Leichtes, die Hauptstadt Estlands anzusteuern. Mit dem Katamaran dauert die Überfahrt gerade einmal neunzig Minuten. Die Reise im „Sausetempo“ alleine ist schon den Ausflug wert.
Tallinn gehörte einst zur Sowjetrepublik. Und wer am Fährhafen in der estnischen Hauptstadt ankommt, der wird sogleich unweigerlich mit der Historie konfrontiert: Vor einem türmt sich ein Betonkasten auf, der einst die Stadthalle samt Konzertsaal beherbergte. Noch immer lassen sich die Stufen hinaufklettern – doch die Türen sind verriegelt.
Allzu lange wird sich der Besucher mit dieser Reminiszenz der Vergangenheit nicht beschäftigen, hat er doch die Altstadt Tallins bereits im Blick.
Ein Drehwurm zur Begrüßung
Die Altstadt ist unterteilt in den Domberg (Oberstadt) und die Unterstadt. Wer sich einen guten Überblick verschaffen möchte, der sollte in der Unterstadt die Kirchturmstufen der Olaikirche hinaufsteigen. All jenen „Bergsteigern“, die ohne Drehwurm das Dach erreichen, weht oben angekommen zumindest der Wind kräftig um die Nase. Der Ausblick jedoch rechtfertigt den abenteuerlichen Aufstieg.
Die Orientierung in der Unterstadt fällt nicht schwer – fast automatisch steuert der Stadterkunder auf das Rathaus zu. Der spätgotische Stil des Gebäudes versprüht geradezu mittelalterliches Ambiente. Der Rathausplatz ist aber auch zentraler Anlaufpunkt für den Tourismus – ruhiger wird es da in den vielen verwinkelten Gassen, die allesamt zum Unesco-Weltkulturerbe zählen.
Nun geht es die Stufen hinauf zum Domberg. Die Alexander-Newski-Kathedrale ist das Schmuckstück dieses Quartiers – die russisch-orthodoxe Kirche und die umliegenden Gebäude bilden das Zentrum des Dombergs.
Der Dom lädt ebenfalls zur Besichtigung ein – inklusive Turmbesteigung. Doch auch entlang der Stadtmauern gibt es einige schöne Aussichtspunkte, von denen aus die Unterstadt und der Hafen in Augenschein genommen werden können. Weit draußen kann zudem der Fernsehturm erspäht werden. Und die zahlreichen Plattenbauten können sich nun auch nicht mehr hinter der historischen Stadtmauer verstecken.
Schöne Aussicht
Im Rahmen eines mehrstündigen Aufenthalts kann eine Stadt wie Tallinn nicht in Gänze erlaufen werden. Doch wer zumindest die vielen Gassen der alten Hansestadt gesehen und außerhalb des historischen Stadtkerns die neue Architektur – allen voran mitteleuropäisch geprägte Einkaufszentren – erkundet hat, der merkt: Viel ist nicht mehr übrig vom „kargen“ Stil der Sowjetzeit.
Doch der Weg führt einen ja zurück zum Fährhafen, und erneut baut sich die leerstehende Stadthalle vor einem auf. Und wer die Stufen ein letztes Mal hinaufsteigt, um nach dem Katamaran, der einen zurück nach Helsinki bringt, Ausschau zu halten, den lacht nach stürmischen Stunden auf einmal gar die Sonne an. Womöglich ist nun der Besucher betrübt – ob der nahenden Abreise.
Hinweise für Tallinn-Reisende
Währung in Estland: Euro
Ausblick: Vom Kirchturm der Olaikirche
Speisen: Restaurants zentral in der Altstadt, Imbisse in der Einkaufspassage außerhalb des historischen Stadtkerns
Anreise: Katamaran Linda Line und weitere Fähren ab Helsinki